Tipp 3: Den roten Faden finden

Wenn Du anfängst, ein Buch zu schreiben, musst Du natürlich erst mal wissen, worum es gehen soll. Das heisst, Du musst einen sogenannten roten Faden finden. Es genügt meistens nicht, einfach zu sagen, ich hab Lust, eine Vampirgeschichte à la Twilight zu schreiben. Oder eine Fantasygeschichte wie Herr der Ringe. Oder eine Liebesgeschichte wie Maya und Domenico 🙂 Natürlich darfst Du diesen Gedanken haben. Aber wenn Du einen Schritt weiter gehen willst, Du musst genau wissen, worum es in deiner Vampir-, Liebes-, Fantasygeschichte gehen und was sie aussagen soll.
Es gibt Autoren, die schreiben einfach drauf los und sehen, was passiert. Und einige haben sogar Erfolg damit. Aber ich denke, in der Regel wird man sich dabei verheddern. Bei mir ist das nie gut gegangen. Ich habe dann die Blätter nach mehreren Seiten wieder rausgerissen und neu angefangen. Bei mir funktionerte es erst, als ich wusste, wo ich mit meiner Geschichte eigentlich hin will.
Aber was denn jetzt, Susanne?, wirst Du Dich vielleicht fragen. Jetzt hast Du doch in Deinem ersten Schreibtipp behauptet, man soll einfach mal anfangen? Und jetzt doch nicht? Wie denn nun?
Ja, natürlich. Ich hab gesagt, fang an! Aber das heisst nicht, dass Du nicht nebenher auch ein wenig planen sollst. Das eine schliesst das andere nicht aus. Du kannst einfach beginnen, frei von der Leber weg zu schreiben und dennoch nebenbei einen Plan ausarbeiten. Doch zu der ganzen Planerei komme ich später noch. Jetzt geht es erst mal darum, eine Aussage für Deine Geschichte zu finden. Selbst wenn Deine Geschichte nur unterhalten soll, dann möchte der Leser erfassen können, worum es eigentlich geht. Er möchte wissen, warum er ausgerechnet Dein Buch lesen soll und was es ihm geben kann.
In der Filmschule haben wir das die Prämisse genannt. Umgangssprachlich pflegen wir zu sagen: Die Moral von der Geschichte. Oder der zentrale Konflikt in der Geschichte. In der Praxis sah das so aus: Wir mussten uns alle vor die Klasse stellen und unsere Idee in einem einzigen Satz formulieren. Und das war alles andere als einfach. Wie bringt man einen zweistündigen Film und ein vierhundertseitiges Buch in einem einzigen Satz auf den Punkt?
Ein persönliches Paradebeispiel, wo ich mich genau mit dieser Sache befassen musste, kann ich Dir mit meinen Maya-und-Domenico-Büchern bieten. Die haben ja alle jeweils einen Untertitel:
– Eine ungewöhnliche Freundschaft
– Liebe zwischen zwei Welten
– Entscheidung mit Folgen
– So nah und doch so fern
– Schatten der Vergangenheit
und so weiter.
Was ich hier gemacht habe, war nichts anderes, als die Essenz der Geschichte in einem einzigen Satz auf den Punkt zu bringen. Und das war alles andere als leicht, das kannst Du mir glauben. Ich persönlich finde es einfacher, einen vierhundertseitigen Roman zu verfassen als einen aussagekräftigen Buchtitel zu wählen. Für einige Buchtitel musste ich sogar die Hilfe der Leserinnen in Anspruch nehmen, die das teilweise besser konnten als ich 🙂
Du siehst, ich habe volles Verständnis dafür, dass das keine leichte Übung ist. Aber versuch es mal für Deine Geschichte. Es wird Dir beim Schreiben helfen, den roten Faden deutlicher vor Dir zu sehen und Deinen Text in diese Richtung zu steuern. Viele Prozesse beim Schreiben laufen nämlich unbewusst ab, hab ich schon festgestellt.
Um Dir noch ein Beispiel zu geben, mach ich diese Übung gleich mit Dir zusammen und versuche, die Prämisse – also die Kernbotschaft – für Maya und Domenico als Gesamtserie und für Time Travel Girl zu finden:
Maya und Domenico
„Wahre Liebe überwindet Hindernisse“
oder ganz einfach: „Liebe zwischen zwei Welten“
Time Travel Girl
„Liebe ist stärker als Raum und Zeit“
oder „Eine Reise durchs Leben“
Du siehst, ich kann mich noch nicht einmal auf eine einzige Aussage pro Geschichte einigen 🙂 Aber das macht nichts, Du kannst durchaus auch mehrere Beispiele für Deine Geschichte formulieren. Wichtig ist, dass es Dir hilft, Deinen roten Faden zu finden. Und wenn Du den mal hast, kannst Du anfangen, darauf aufzubauen.
Letzte Änderung: 19. Februar 2018